von Lukas Adam, 4FS
Wenn man dir den Begriff „Mauthausen“ nennt, verbindest du diesen wahrscheinlich mit der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Das ist auch der Ort, den die vierten Klassen der BRG Kremszeile Unterstufe jährlich besuchen. Auch meine Klasse ist dieses Jahr nach Mauthausen gefahren und wir waren auf so einiges gefasst und trotzdem war der Aufenthalt in Mauthausen mit einem neuen, verstörenden Gefühl verbunden.
Mauthausen ist ein ehemaliges Konzentrationslager aus dem Zweiten Weltkrieg. Verwaltet wurde es von der SS, der persönlichen „Leib- und Prügelgarde“ von Adolf Hitler. Mauthausen war ein Vernichtungslager der Stufe 3. Das bedeutet, wer nach Mauthausen verfrachtet worden war, war so gut wie tot.
Nach unserer Ankunft warteten wir in einem neueren und sichtlich später gebauten Teil auf unsere Guides. Glücklicherweise bekamen wir eine Vermittlungsperson, die uns wirklich viel erklären konnte. Der Mann begann damit, dass das Tötungsmotto von Mauthausen „Tod durch Arbeit“ war. Die Gefangenen mussten also so lange arbeiten, bis sie arbeitsunfähig waren oder starben. Gleich als erstes konfrontierte er uns mit dem größten Verbrechen, das in Mauthausen verübt worden war. Das war nicht das gezielte Morden der Insassen oder das Verbrennen der Leichen, sondern mit welcher Einstellung man das Thema behandelte. Angeblich sollten die SS-Leute ihrer täglichen Arbeit so nachgegangen sein, als würden sie einen normalen Job erledigen. Auch in der Gemeinde waren sie zum Teil angesehen. Es wurde nicht einmal versucht, den Bau des Konzentrationslagers zu verheimlichen, sowie die Tatsache, dass man Menschen ihrer Freiheit beraubte. Die Bevölkerung von Mauthausen wusste von Folter und Freiheitsberaubung, die an den Gefangenen verübt wurden. Unser Führer las uns einen Textausschnitt vor, den ein Überlebender des KZ verfasst hatte. „Als wir mit dem Zug in Mauthausen ankamen, zwang man uns dazu den restlichen Weg, den Berg hinauf zum Lager zu gehen. Unser Wächter führte uns quer durch die Stadt. Es war nicht zu übersehen, dass wir gefangen gehalten wurden. Die Einwohner sahen uns trotzdem mit einer Gleichgültigkeit an, dass man hätte meinen können, es war für sie normal, dass man fremde Menschen ankettete.“
Der Tour Guide führte uns am Gelände außerhalb des KZ entlang und erklärte uns die Funktionen von bestimmten Gebieten und Bauten. Es gab sogar ein Schwimmbecken und einen Fußballplatz, um das Vergnügen der SS-Leute zu sichern. Wieder ein anderer Gefangener beschrieb, dass sich dort die privilegierte Häftlinge und Aufseher einmal in der Woche getroffen hatten, um gegen andere Vereine in der Umgebung zu spielen. Gleichzeitig war der Geruch von verbrannten Menschen vom Hauptgebäude zum Spielfeld herüber geweht. Neben dem Fußballfeld hatte sich das Krankenlager befunden. Der Mann, der uns herumführte, erklärte uns, dass jeder, der hier hergebracht worden war, so gut wie tot war. An dem Platz überließ man Kranke und Arbeitsinvaliden ihrem Schicksal und verbrannte hinterher die Leichen.
Vom nächsten Aussichtspunkt aus sahen wir den Steinbruch, in welchem man sich hauptsächlich zu Tode schuftete. Der Zugang zu der Arbeitsstelle war eine gigantisch lange Treppe, die sogenannte „Todesstiege“. Die Gefangenen mussten sie täglich zweimal begehen: in der Früh hinunter, am Abend hinauf. Der Weg vom Steinbruch und zurück erschien noch länger, wenn man bedachte, dass schwere Steinbrocken zu schleppen waren. An diesem Punkt trichterte unser Führer uns noch einmal ein, dass das Geschehen in Mauthausen kaum verheimlicht wurde. Für die SS galt es nur, einen Job zu erledigen. Sie wurde weder zum Schweigen verpflichtet, noch gab es Strafen, sollte man das Vergehen ausplaudern.
Der Guide zeigte uns verschiedene Denkmäler, die an die Insassen aus den jeweiligen Staaten erinnern. Es war fast unheimlich, da es so viele verschiedene Denkmäler gab und etliche Staaten nicht einmal aktiv am Kriegsgeschehen beteiligt waren. Manche Marmorbauten waren genauso hoch wie unsere Schule. Der Betreuer erzählte, dass jeder Häftling in eine Gruppe eingeteilt worden war. Man unterschied zwischen Politikern, Berufsverbrechern, Emigranten, Bibelforschern, Homosexuellen und Asozialen. Jeder bekam ein Dreieck auf die Arbeitskleidung genäht, je nach Gruppe hatte es eine andere Farbe. Juden bekamen noch ein zusätzliches Dreieck dazu. Nach diesem Prinzip wollte man die Häftlinge kontrollieren. Hätten sich alle Eingelieferten gegen die Aufseher zusammengetan, hätten diese nur verlieren können. Deshalb wurde ein hierarchisches System im Lager aufgebaut und manche Gruppe waren privilegiert. Somit entstand unter den Gefangenen ein Konkurrenzkampf und die Gruppen hielten sich gegenseitig in Schach.
Schließlich kamen wir zum Kern des KZ. Innerhalb einer Schutzmauer, welche nicht gedacht war, um äußere Feinde abzuhalten, sondern innere Personen festhalten sollte, standen Baracken. Es war aber nicht mehr dieselbe Anzahl von Baracken auf dem Platz wie in der Zeit als Konzentrationslager. Jede Gruppe hatte seine eigenen Baracken. Je höher der Stellenrang im KZ war, desto weiter vorne, also näher zum Haupttor wohnte man. Der Kapo war der Chef einer solcher Gruppe. Dieser verwaltete eine Baracke und sorgte dafür, dass die Barackenbewohner ihre Arbeit taten. In der Position des Kapo bekam man verschiedene Vorteile, wie zum Beispiel ein eigenes Bett, denn jeder Häftling schlief normalerweise mit mindestens einem anderen Häftling, aber auch zu mehrt, in einem Bett. Dann besichtigten wir die Baracken, in denen die Gefangenen wohnten. Obwohl sie komplett leer waren, konnte man sich ungefähr vorstellen, wie es im Raum aussehen würde, wenn die Gefangen dort noch leben würden. Toiletten waren nicht mehr als ein flaches Becken mit Abfluss. Bäder gab es keine. Das ganze Areal, wo die Baracken waren, war umzäunt.
Am Ende besichtigten wir noch das Museum des KZ. Es gab drei verschiedene Schwerpunkte. Im ersten Raum standen Infotafeln. Sie erregten allerdings nicht unsere Aufmerksamkeit. Überwältigend war der Raum der Namen. In diesem standen Tische, beschrieben mit allen Namen, die dem KZ zum Opfer gefallen waren. Im dritten Raum konnte man eine alte Gaskammer sehen. Mich überraschte es sehr, dass die Kammer nichts weiter als ein Fliesenzimmer war, in das ein paar Metallleitungen verlegt worden waren.
Mich hatte dieser Ausflug noch mehr schockiert als zu dem Zeitpunkt, in dem wir in der Schule über Konzentrationslager gesprochen hatten, da man nun hautnah an dem Ort des Verbrechens gestanden hatte. Bei Geschichten könnte man meinen, manches sei vielleicht nur erfunden. Wenn man dann aber an dem Ort steht, wo Menschen getötet wurden, ist das ein komplett anderes Gefühl.
Eine Woche später diskutierten wir mit unserer Lehrerin, welche uns gefragt hatte, ob es sich weiterhin lohnt, mit zukünftigen Klassen nach Mauthausen zu fahren und das KZ zu besichtigen. Wir, die Klasse, waren einstimmig der Meinung, dass nicht vergessen werden sollte, was passierte war und dass man daraus lernen sollte. Daher lohne sich die Fahrt nach Mauthausen allemal.
Dich, werter Leser, fordere ich nun kurz dazu auf, die Augen zu schließen. Denk bitte kurz darüber nach, was du gelesen hast. Ziehe jetzt noch in Erwägung, dass Mauthausen nicht das einzige Konzentrationslager der NS-Diktatur war. Dieses Schicksal war vielen Gefangenen auferlegt. Vergiss dies nie.
Denn wer sich nicht erinnert, was geschehen ist, der hat auch vergessen, was geschehen kann.
– Frank-Walter Steinmeier, April 2021, Gedenkfeier für die Opfer des KZs Buchenwald